Freitag, 28. Januar 2011

Eine Reise ins 13. Jahrhundert, Folge 7: Montfort

Auf dem Weg zurück ins 13. Jahrhundert: P.G. gut behütet vor der Ruine der Burg Montfort des Deutschen Ordens im Heiligen Land.

Ruine mit großer Vergangenheit. Dem Mamlukkensultan Baybars gelang 1271 schließlich die Eroberung.

Arie - der Taxifahrer aus Akkon, der für einen Tag zum Führer wurde.


Die Geschichte der Köchin Mathilde und des Minnesängers, die in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts unversehens zu deutschen Königsmachern wurden, musste lange auf ihre Umsetzung warten, weil andere Bücher (zwei historische Romane, zwei Krimis und ein Mystery-Roman) sich in den Vordergrund geschoben haben. Doch im März ist nun Abgabetermin für das Manuskript. Die „anschaulichen“ Grundlagen gelegt habe ich im Mai vor nun fast sieben Jahren.

Rückwärtsgewandt - Träume vergangener Größe, geschrieben am 5. Mai 2004

Arie ist Taxifahrer. Er bringt mich nach Montfort, der Starkenburg der Deutsch-Ordensritter im Heiligen Land. Der Burg, die in meinem Roman eine wichtige Rolle spielen soll. Bis vor drei Jahren war Arie Manager einer großen Fabrik für Feuerschutzwände, sie hatte sogar zwei Niederlassungen in China. Die Fabrik gibt es nicht mehr. Arie hat viele Falten, einen Bart, kleine, freundliche blaue Augen, eine Frau, zwei Töchter (eine in New York, die andere in Tel Aviv verheiratet) und einen Sohn, der noch daheim wohnt. Arie kann etwas Englisch und außerdem Jiddisch, was ich toll finde. Wir haben uns am Abend zuvor bei der Taxifahrt von Akko ins Hotel kennengelernt und ich habe ihn für 300 Schekel für diesen Vormittag engagiert. Er kennt den Weg nach Montfort.

Arie hat außerdem eine Engelsgeduld. Er erklärt mir nicht nur, was auf Hebräisch Ja und Nein heißt (Ken und Lo) sowie diverse andere Worte, sondern er weiß auch Antworten auf viele meiner anderen mindestens 1000 Fragen. Nur bei den Pflanzen muss er meistens passen. Für den Garten ist seine Frau zuständig. In Israel scheint es überhaupt wenige Menschen zu geben, die sich in ihrer Natur auskennen. Wenn sie mehr darüber wüssten, würden sie vielleicht ihren Müll nicht überall wegwerfen. Arie mag Ariel Sharon und seine Parteifreunde nicht sonderlich. Das gilt aber auch für Arafat. Er glaubt, dass Sharon nicht mehr lange an der Macht bleiben wird. Arie sehnt sich nach Frieden für sein Land. Mit diesem beiden alten Männern sei dieses Ziel aber nicht zu erreichen, denkt er. Das sagen übrigens alle Israeli, denen ich auf meiner Reise begegne.

Akkon in Galiläa ist für Arie der schönste Ort der Welt. Im 13. Jahrhundert hatte die Stadt 40 000 Einwohner und 60 Kirchen. Jetzt sind es rund 50 000, 12 000 davon Araber. Akkon sei das beste Beispiel dafür, dass Araber und Juden sehr wohl friedlich beieinander leben könnten, meint er. Hier, zwischen dem Meer und den sanften Hügeln von Galiläa gibt es keinen Krieg.

Von Akkon über Naharia bis zur Burg Montfort sind es etwa 27 Kilometer, schätzt Arie. Wir fahren an Palmen, an Olivenbäumen und Avokado- und Bananenplantagen vorbei, aber auch an heruntergekommenen, halb verfallenden Häusern mit rostigen Gitterzäunen. Überall hier in diesem schönen Land liegt stinkender Müll. Sogar am Strand beim Hotel. Arie findet, dass es ohne alte Autoreifen Plastiktüten und jeglichem anderen Müll der schönste Sandstrand bis Tel Aviv sein könnte. Der ganze Dreck ärgert ihn. Er packt seine leere Plastik-Wasserflasche später jedenfalls sorgsam in eine Plastiktüte und verstaut sie im Kofferraum seines Taxis. Arie hat mir nach dem anstrengenden Marsch zur Burg und zurück ein Glas Wasser spendiert. Danach lädt er mich auch noch zu einer Tasse Kaffee ein. Es gelingt mir einfach nicht in diesem Land, auch nur einmal für jemanden anderes zu bezahlen.

Zur Festung Montfort führt ein steiniger, staubiger Weg, der später zu einem noch steinigeren, engen Pfad wird, der dann zunächst einmal steil bergab geht. Ich stöhne innerlich bei dem Gedanken, dass wir die Strecke später wieder bergauf marschieren müssen. Dann, nach einer Wegbiegung, erscheinen die Ruinen der Starkenburg vor uns und ich vergesse alle Bedenken. Diese Festung muss beeindruckend gewesen sein. Sie liegt hoch auf einem steilen, nach oben konisch zulaufenden Felsen, so, als wolle sie den Berg krönen. Der Name Starkenburg ist mehr als passend. Der Festungsfelsen wiederum ist wie ein Finger in ein Tal eingebettet, das von allen Seiten von rundbuckeligen, bewaldeten Hügeln umgeben ist. Von Nordwesten her windet sich ein Pfad durch ein Tal zwischen zwei Hügeln, im Westen sehe ich Schulkinder über einen noch engeren Pfad einen der Hügel hinunter laufen. Der Blick über das Land von Westgaliläa ist einfach atemberaubend. Wir passieren noch einige Felsformationen, die über dem Weg so eng zusammenrücken, dass sie schon fast einen Tunnel bilden. Das Gestein ist teilweise rot. Arie sagt, dieses Stück Weg erinnere ihn immer an den Gran Canyon in Amerika.

Auf dem Rückweg sprechen wir nicht viel. Wir sind beide außer Atem. Arie wird mich morgen auch zum Zug bringen.

Am Nachmittag lege ich eine Rast am Strand bei Akkon ein, mitten zwischen alten Reifen und sonstigem Müll. Doch das Schwimmen ist herrlich erfrischend. Dann fühle ich mich plötzlich um Jahrhunderte zurückversetzt. Drei arabisch wirkende jungen Männer sprengen ohne Sattel auf ihren nervösen, wunderschönen Vollblütern den Strand entlang, später treiben sie die Pferde zum Baden ins Meer. Etwa so könnte es gewesen sein, damals, als die Kreuzritter hier waren. Gut, die Ritter von damals trugen keine Jeans und T-Shirts, aber mit ein bisschen Fantasie... Jeder der drei bietet mir schließlich an, hinter ihm aufs Pferd zu steigen. Ich lasse das doch lieber, obwohl ich es mir schön vorstelle, auf dem Rücken dieser anmutigen Tiere durch die Gischt zu jagen. Ich habe schließlich Karl May gelesen.

Am Nachmittag gehe ich zu Fuß nach Akkon und verirre mich prompt. Vor den Mauern der Stadt, dort, wo einmal der große Wassergraben war, endet der Weg plötzlich. Ein junger Araber sieht meine ratlose Miene, winkt mir zu und führt mich einige steile Stufen hinunter und durch einen Tunnel, der sehr alt aussieht, schließlich zum großen Tor im Osten. Ganz in der Nähe war die Niederlassung des Deutschen Ordens in Akkon, bevor ihm der Papst die Starkenburg übergab.

Das alles erfahre ich später von Verkine. Sie ist an diesem Tag die größte Überraschung von allen. Verkine ist eine Kollegin von Cassandra, der Stadtführerin. Ich lerne sie kennen, als ich der lebhaften, rothaarigen Belgierin ein Buch von mir bringe, damit sie mir auch glaubt, dass ich Romane schreibe und es eventuell dem Leiter der Ausgrabungen zeigen kann. Sie freut sich sehr und stellt mich ihrer Kollegin vor. Verkine ist Albanierin, in Akkon geboren, und war die Assistentin des Deutschen Ordens bei seinem Versuch, sich wieder in der alten Kreuzfahrerstadt zu etablieren. Der Orden wollte dort Besitz erwerben, ein Hotel eröffnen. Doch am Ende bekamen andere den Zuschlag und der Deutsche Orden zog sich vor etwa zwei Jahren zurück, so hoch verschuldet, dass er seine Besitzungen wieder verlor. So erzählt sie mir jedenfalls die Geschichte. Verkine ist demnach eine Expertin in Sachen Deutscher Orden. Sie will mir helfen, Quellen heraussuchen.

Doch es kommt noch besser. Ihr ehemaliger Mann, ein Historiker, ist Deutscher. Und Verkine heißt mit Nachnamen Aivazian-BOLDT. Ich bin zunächst fassungslos, ausgerechnet hier jemanden zu finden, der den gleichen Ehenamen trägt. Ich hoffe - nicht nur deshalb – dass ich Verkine und Cassandra irgendwann einmal wiedersehen werde. Wie sagte Arie doch heute morgen: „Wer einmal in Israel war, der kommt wieder.“ Es könnte etwas Wahres dran sein.

Wenn bloß die stundenlangen Kontrollen und die ewigen Wartezeiten am Flughafen nicht wären. Über den heutigen Tag, dem Flugtag zu Klaus in Antalya, habe ich nicht viel zu erzählen außer: stundenlang gewartet, unzählige Fragen beantwortet (aber wenigstens dieses Mal nicht, warum ich Petra heiße), ach ja, und eine bemerkenswerte Jüdin getroffen. Sie ist 78, riecht stark nach Kampfer, hat wenig Geld und reist für ihr Leben gern. Sie lässt sich vom Flugpersonal mit dem Rollstuhl chauffieren. Außerdem sammelt sie im Flugzeug die Kuchen vom Nachtisch ein (damit sie außer dem Frühstück im Hotel noch etwas zu essen bekommt) und redet unentwegt....

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Petra,ein Interessanter Reisebericht von Dir.Akkon reizt mich auch es zu entdecken.LG Andre´

Petra Gabriel hat gesagt…

Hallo MacAndru,

Akkon kann ich nur empfehlen. Übrigens, die Berichte über meine Reise auf den Spuren der Kreuzfahrer gehen demnächst noch weiter. Musste ja auch wieder zurück... ;)

LG

P.G.

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