Danny Angel, der Schriftsteller in John Irvings Roman „Letzte Nacht in Twisted River“, sagt an einer Stelle, die wirkliche Kreativität eines Autors bestehe nicht im Dahinschreiben eines Textes, sondern in der Überarbeitung des Manuskriptes. Immer und immer wieder. Dasselbe denkt Gunnar Kunz, ein Schriftstellerkollege und einer der besten Vor-Leser, die ich kenne (danke Gunnar). Also wird es wohl stimmen. Und wenn es stimmt, was ich jetzt einmal zu meinen Gunsten annehme, dann war meine Arbeit an „Der Klang des Regenbogens“ so kreativ wie noch an keinem meiner Bücher.
Heute habe ich die letzten Änderungen an den Druckfahnen per Mail an den Emons Verlag geschickt und einen letzten Punkt gemacht. Jetzt kann ich nichts mehr tun. Ich stehe mit leeren Händen da, habe alles weggegeben, auch meinen Einfluss auf das weitere Schicksal dieses Romans. Und komme mir plötzlich verloren vor.
Dieses Loch kenne ich schon. Es tut sich immer auf, wenn gute Bekannte, nein, Freunde, nämlich all die Menschen, die während des Schreibens in die Geschichte und damit auch in meine Welt gefunden, die mich lange Monate begleitet haben, ihre eigenen Wege gehen. Wenn sie ohne meine Hilfe laufen lernen müssen. Macht's gut, rufe ich ihnen hinterher. Ich habe euch mein Herzblut mitgegeben. Und Euch bitte ich: behandelt sie wohlwollend. Lasst sie in euer Leben, nehmt Anteil an ihren Abenteuern. Ich glaube, Ihr werdet sie mögen.
Das hoffe ich jedenfalls von ganzem Herzen. Denn „Der Klang des Regenbogens“ ist mir sehr nahe. Nein, es ist keine Autobiografie, aber diese Geschichte begleitet mich schon seit Jahren. Alles fing damit an, dass Roman Hocke, ein Literaturagent und Verwalter des Nachlasses von Michael Ende, vor Jahren eine Serie aufgelegt hat, in der Autoren eingeladen wurden, die „Unendliche Geschichte“ weiterzuschreiben. Er hatte mein erstes Buch, „Zeit des Lavendels“ in die Hände bekommen und fand, ich sei geeignet, dabei mitzumachen. Das hat mich sehr geehrt. Doch bevor ich an der Reihe war, meinen Text zu schreiben und zu veröffentlichen wurde das Projekt gestoppt. Das war 2002.
Damals entstanden die Figur der stummen und tauben Sängerin Oza und die noch sehr nebulösen Grundzüge einer Geschichte, in der es um die Macht der Musik geht. Um die Wirklichkeiten des Klangs und darum, wie Musik uns alle beeinflusst, um die Töne, die in uns schwingen. Vor allem aber darum, wie ein Lied die Disharmonie einer kranken Welt heilen kann.
Die Geschichte ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ihr seht schon, das Thema bietet viele Ansatzpunkte, unzählige Möglichkeiten ins Uferlose abzudriften. Dabei ist die Ausgangsthese eigentlich ganz einfach, die da lautet: Alles schwingt. Und ich habe mich natürlich prompt in diesem Wald von Möglichkeiten verlaufen, um nicht zu sagen, beinahe hoffnungslos verirrt. Ich habe die Geschichte immer und immer wieder von hinten nach vorne und von vorne nach hinten gedreht, ergänzt, gestrichen, geschwafelt, gestrafft. Dabei bin ich mit schöner Regelmäßigkeit wie wild im Meer meiner Selbstzweifel herumgepaddelt. Um genau zu sein: Das Wasser stand mir mehr als einmal bis zum Hals.
Dass ich den Weg aus der Flut anfangs teilweise ziemlich unausgegorener (ja, ich gestehe es ein) Gedanken und Ideen zu diesem Thema schließlich doch noch gefunden habe, verdanke ich nicht zuletzt Stephanie Rahnfeld und Marit Obsen, den Lektorinnen des Emons Verlages. Ich weiß nicht, ob „Der Klang des Regenbogens“ ohne ihre Anregungen und Hinweise überhaupt „das Licht der Welt“ erblickt hätte, wie es so schön heißt. Sie haben mich mit ihren Fragen gezwungen, zu präzisieren und zu straffen, den Figuren klare Konturen zu geben, wo sie ihnen zu schwammig erschienen. Anders ausgedrückt: Sie haben wieder einmal den Beweis dafür geliefert, dass das Schreiben eine wunderbare Möglichkeit ist, sich selbst das Leben zu erklären.
So. Punkt. Vorbei.
Und nun kann ich nur noch hoffen, dass die Sängerin Oza und ihre Gefährten ebenso einen Weg in Ihre Herzen finden wie in meines. Und dass ihre Abenteuer, ihr Lieben und Leiden, ihr Scheitern und ihren kleinen und größeren Siege über sich selbst während dieser Reise vom Bodensee bis in die Bretagne Sie ebenso berühren wie mich. Wenn ja, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht.
„Der Klang des Regenbogens“ erscheint Ende September 2010. Premierenlesung ist am 15. Oktober, 20 Uhr, im Hotel-Restaurant „Alte Post“ in der Laufenburger Andelsbachstraße, auf Einladung von Renata Vogt, Buchhandlung & Café am Andelsbach.
Petra Gabriel
Der Klang des Regenbogens
Mystery
978-3-89705-756-2
Broschur
426 Seiten
9,90 €
http://www.emons-verlag.de/mehr bei Amazon
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