Die Geschichte der Köchin Mathilde und des Minnesängers musste lange auf ihre Umsetzung warten, weil andere Bücher (zwei historische Romane, zwei Krimis und ein Mystery-Roman) sich in den Vordergrund geschoben haben. Doch jetzt schreibe ich daran. Die „anschaulichen“ Grundlagen gelegt habe ich – vor etwa sechs Jahren – bei einer anderen Reise, deren Bilder jetzt wieder lebendig werden. Zusammen mit meinem Mann Klaus bin ich im Auto tausende von Kilometern über den Balkan und Istanbul nach Kleinasien und wieder zurück gefahren, verbunden mit einem für diesen historischen Roman entscheidenden Abstecher. Er führte mich von Istanbul aus mit dem Flugzeug nach Tel Aviv und von dort aus weiter nach Akkon, auch Akers, Acre, Accho, Acco, Hacco und St. Jean d'Acre genannt. Ich habe damals ein Reisetagebuch geführt, aufgeschrieben, was mich berührt hat. Vielleicht haben Sie ja Lust, mich zu begleiten. Leider gibt es nicht mehr zu allen Folgen Fotografien. Sie sind irgendwo in den Tiefen meines PCs verschwunden. Das gilt auch für diesen fünften Reiseabschnitt. Das Foto stammt deshalb aus Wikipedia und wurde von Josep Renalias aufgenommen.
Mathildes Geschichte, Folge 5: Istanbul, die lädierte Schöne, geschrieben am 2. Mai 2004
Der Taxifahrer versucht mit Händen und Füßen, der schweigsamen Touristin auf dem Rücksitz die Schönheiten seiner Stadt näherzubringen. Irgendwie schafft er es trotzdem, den Verkehr in den Istanbuler Straßen im Auge zu behalten. Wenn die Autos nicht gerade im Stau stehen, dann fahren sie qreuz und quer, bei Rot oder nicht bei Rot, hupend werden Fahrbahnen gekreuzt,rechts vorbei, links vorbei, manchmal haarscharf. So ist das eben in der Stadt am Bospurus. Aus einigen Handbwegungen und ziemlich verstümmelten englischen Lauten schließe ich irgendwann, dass die dicken Mauerreste, an denen wir vorbeifahren, der übrig gebliebene Teil der alten Stadtmauer sein müssen. Ich erfahre, wo der Fischmarkt ist, in welche Richtung ich zum Basar gehen muss.
Es ist erstaunlich, auf wie viele verschiedene Arten Menschen sich verständigen können. Obwohl keiner die Sprache des anderen spricht klappt es irgendwie. Meistens.
Manchmal aber auch nicht. Und nur deshalb lerne ich Mehmet kennen - ein junger Türke mit freundlichem Gesicht, businesslike im dunklen Anzug und mit Kravatte. Er eilt zur Hilfe, als der Taxifahrer mein Kompliment über die Schönheiten der Türkei und die Freundlichkeit ihrer Bewohner nicht verstehen kann.
Als Mehmet hört, dass ich gedenke, mir die wichtigsten Sehenswürigkeiten anzuschauen - wie es sich für eine gute Touristin gehört - gibt er mit gleich den guten Rat mit der großen Sultanahmed-Moschee anzufangen. Denn diese werde eine Stunde später für Touristen geschlossen: Gebetszeit. Nicht nur das, er bringt mich gleich hin. Noch mehr, er erklärt auf dem Weg dorthin den Ursprung des Obelisken auf dem Sultanhamet Platz (aus dem alten Agypten), auf dem auch Tutmosis seinen Taten verherrlicht - er ist rund 3500 Jahre alt. Der Koloss Konstantins in der Nähe ist dagegen noch jung, nur knapp 3000 Jahre alt, und die durch Blitzschläge und Feuersbrunst erheblich gekürzte Schlangesäule stand einst im Tempel des Apollon in Delphi. Ich schöpfe keinen Verdacht, bin nur begeistert über die unverhoffte Stadtführung.
In der Moschee erklärt mir Mehmet, dass 14000 blaue Kacheln für die Mosaike verwendet worden seien (weil Blau Glück bringt und gegen den bösen Blick hilft) und die Fenster aus Wien importiert worden sind. Außerdem hat die Moschee sechs statt der vorgeschriebenen sieben Türme. Der Grund den er nennt: Die Worte Gold und Turm ähneln sich. Der Sultan wollte von seinem Architekten sieben Goldkuppeln,der baute statt dessen sechs Tüme (der Sultan war da gerade in Kairo). Dazu kam, dass die Moschee beim Bau wegen falscher Berechnungen der Statik (oder so) drei Mal eingestürzt ist. Daraufhin wurde der Architekt entlassen. Sagt Mehmet. Geköpft, vermutet Klaus.
Danach schleppt Mehmet mich in das Teppichgeschäft seiner Familie. Ich ahne immer noch nichts, bin nur gespannt. Kaum angekommen, stellt er mich seinem Bruder vor und verschwindet. Der Bruder spricht Deutsch. Er ist in Hannover geboren. Wir plaudern angeregt über Gott und die Welt. Mehmets Bruder hält nichts von der EU. "Die spielen mit uns", erklärt er. Er glaubt,die Europäer würden immer wieder einen Grund finden, die Türkei zu vertrösten und den Beitritt zu verhindern. Das sei schon oft genug geschehen. Und das habe sein Land nicht nötig. Mehmets Bruder sagt, er sei Kurde. Seine Frau gehe nur verschleiert aus dem Haus. Aber nach dem Koran könne er ihr noch nicht einmal befehlen, für ihn zu kochen. Ob ich das gewusst hätte? Habe ich nicht. So plaudern wir plaudern angeregt beim Apfeltee. Aber wir sprechen kein einziges Mal über Teppiche.
Erst viel später, als ich durch diese wunderbar-schreckliche Stadt streife, halb zerfallene Häuser in Seitengassen sehen, den Fischmarkt, den Basar und mindestens tausend Mal aufgefordert werde, doch einzutreten, da begreife ich, dass Mehmet der "Schlepper" und sein Bruder eigentlich der Verkäufer war. Ich bin ein bisschen enttäuscht, aber nur ein bisschen. Immerhin: Wir haben nicht über Teppiche geredet. Und er hat Klaus und mich zum Familien-Grillen auf seiner Dachterasse eingeladen. Dabei redet man üblicherweise auch nicht über Teppiche. Ich vermute, das ist auch in der Türkei so.
Istanbul ist schön und schrecklich zugleich. Voller Leben, Frauen, mal verschleiert mal nicht, mal westlich gekleidet, aber immer im Pulk mischen sich unter die Touristen aus aller Herren Länder. Und ich finde, das ist das schönste Sightseeing und spare mir den Rest des Tourismus-Programmes. Hagia-Sophia - vielleicht bis zum nächsten Mal. Petra Gabriel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen