Ich soll nicht mehr zum Besuchereingang rein, sondern die Türe fürs Personal nehmen. Ständig neue Regeln. Es ist seltsam, wie schnell ein Ort wie dieser das Blickfeld verengen kann. Zumindest meines. Es hat sich eine gewisse Beklemmung eingestellt, schleichend, ohne dass ich es gemerkt habe. Sie geht nicht weg, auch nicht, wenn ich dieses Haus verlasse. Die große Stadt mit den tausenden von Möglichkeiten schmilzt plötzlich auf das Karree eines Zimmers und weniger Interaktionen zusammen. Die mit dem Personal und die mit den Jungs. Ich fühle mich ebenso gefangen wie sie, als ob sich hier der freie Wille selbstständig macht und sich leise davonschleicht.
Whisky und Julian kommen mir vor wie in einer Kapsel. Nur manchmal öffnen sie den Zugang ein kleines Stück. Und auch ich beginne, mir eine solche Kapsel zuzulegen. Whisky hat den Roman gelesen, den ich mitgebracht hatte, "Die Konkubine". Ich bin beendruckt.
Wie es ihm gefiel? Er zuckt die Schultern. Ist nicht ganz seine Geschichte. Vor allem das mit der Liebe. Aber ansonsten ganz ok. Er will das Buch an Julian weitergeben.
Dann ist da noch ein neuer Junge. Der coole Typ, lang, in gewisser Weise aggressiv. Er muss das Monster malen. Am Ende ist klar, dass er lieber in den Hipp-Hopp-Kurs geht. Wir werden also einen neuen Monstermaler brauchen.
Orkan ist auch wieder da, sagt, er sei nicht mehr krank. Aber irgendwie missmutig, als er feststellt, dass der starke Held, den er beim ersten Treffen gezeichnet hat, während seiner Abwesenheit aus der Geschichte geflogen ist. Ich versuche ihm klarzumachen, dass das Leben eben weitergeht und wir weiterkommen müssen, weil der Comic-Kurs nur zehn Doppelstunden dauert. Das scheint ihn nicht überzeugt zu haben. Er muss ständig aufs Klo. Er schneuzt sich mehrmals. Und dann will er gehen. Er fühlt sich wieder krank.
Whisky und Julian haben Bombe mitgebracht. Auf meine Bitte hin hat sich jeder der Jungs seine eigene Figur ausgedacht, die in der Geschichte mitspielt, eine Figur, die ihn symbolisiert. Whisky ist ja – noch immer ziemlich widerwillig – der Held. Er ist diese Rolle nicht gewohnt und fühlt sich deshalb sehr unwohl darin.
Bombe malt sich als Bombe – ich begreife das nicht sofort. Aber die Zündschnur brennt. Julian, der sich am liebsten aufs Schreiben beschränkt, bekommt von Bombe eine Figur verpasst. Für mich sieht sie aus wie ein Ufo, das aussieht wie ein Kreisel. Julian ist zufrieden.
Wir kommen gut weiter an diesen Tag. Whisky streikt, als er die erste Seite noch einmal malen soll, die, in der gezeigt wird, wie der Zug auf die Stadt zurollt. Er verspricht, dass er das bis zum nächsten Treffen erledigt und das Bild auch an Bombe und Julian weitergibt, damit Bombe die Bombe und den Kreisel sowie den Zug reinmalen kann. Denn Bombe ist zum Zugmaler avanciert. Nicht immer zur Zufriedenheit von Julian, der ihn regelmäßig ermahnt: Mach die Fenster größer. Was Bombe dann auch brav tut. Trotzdem, er scheint die Gruppe zu dominieren.
Am Ende sortierte ich die entstandenen Zeichnungen. Wir sind gut weitergekommen. Fünf Bilder. Ich scanne sie später ein und vervielfältige sie im Copyshop.
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