Mittwoch, 25. März 2009

Eine Heldengeschichte I

Bild: Whiskys Stadt

von Petra Gabriel
Dies ist eine Heldengeschichte in fünf Folgen. Hauptfiguren sind junge Männer, die sich mit mir auf das Abenteuer einlassen, eine Comic-Geschichte zu entwickeln. Mit mir - also mit einer Frau, die vom Schreiben kommt und eine lausige Malerin ist. Aber wir versuchen's. Und uns ist schnell klar, dass uns einige Überrschungen erwarten. Hier die Folge 1 - wie alles anfing.

Bild: ein Held.

An diesem Ort ist fast alles verboten. Und man braucht für alles eine Erlaubnis. Dort herrscht – wahrscheinlich begründetes – Misstrauen gegenüber Personen von außerhalb. Besonders gegenüber solchen, die glauben, sie könnten die Welt verbessern. Trotzdem geht es in dieser Geschichte um Helden. Helden ohne Namen, es sei denn, ich denke mir welche aus. Es ist nicht erlaubt zu sagen wer mitmacht. Verboten zu beschreiben wo. Mit dem oben beschriebenen Ort dürfen wir uns in unserem Projekt sowieso nicht beschäftigen. Während sich dies schreibe, wabert der Duft von Gulasch aus dem Hinterhaus bis zu meinem PC.
„Du solltest mal erzählen, wie Du zu Deinen Geschichten kommst.“ Sagt Sie.
„Schreib das lieber nicht auf, Du weißt nicht, was draus wird. Es ist ja ein Experiment.“ Sagt er.
Sie haben beide recht. Ich entscheide mich, zu schreiben. Die Geschichten hinter den Geschichten sind manchmal ziemlich spannend. Beim Schreiben ist das Scheitern ohnehin vorprogrammiert, integraler Bestandteil des Prozesses. Wer nicht mit jedem neuen Satz gegen die Gefahr des Versagens anrennt oder sie verdrängt, ist ohnehin verloren. Vermutlich müssen alle, die schreiben, Pessimisten sein. Und dann ihren eigenen Pessimismus so erfolgreich verdrängen, dass die Hoffnung bleibt, es könnte doch etwas Gutes dabei herauskommen. So eine bin ich. Also: Hier ist eine Heldengeschichte. Ergebnis: offen.


Das erste Treffen



Bild: Noch ein Held

Bei unserer ersten Begegnung sind es vier Jungs, zwei mit Migrations- und zwei mit anderem Hintergrund. Eigentlich waren sechs angekündigt. Aber einer „fühlt sich nicht so“, richtet mir der Mitarbeiter der Ortes aus. Ein weiterer hat Besuchszeit und kommt nicht. Wir haben uns in einer Art Klassenzimmer mit Tafel zusammengefunden, um uns mit Helden zu beschäftigen, um einen zu erfinden, seine Geschichte zu erzählen. Egal wie. Auf jeden Fall aber in Form eines Comic. Mit Strichmännchen oder anders. Die Regeln: Siehe oben. Über den Rest wird abgestimmt.

Panda ist schmal, olivhäutig und dominant. Er ist der Coole, der mit den Ideen. Sein Held muss stark sein. Magisch. Er muss fliegen können. Und einen Hund dabei haben. Einen, der fliegen kann. „Ich kann Flügel malen“, sagt er. Panda hat immer einen Einfall.
Orkan neben ihm ist der Typ Bär. Er malt schon mal (siehe Held ganz oben). Vorher will er aber wissen, wie alt ich bin. Die Zahl der Jahre beeindurckt ihn. „Schöne Frau“, erklärt er trotzdem. Ich finde, das ist ein guter Anfang.
Helden, entscheidet Panda derweil, müssten gut aussehen.

Daraufhin mache ich die unbedachte Bemerkung, dass sich Frauen nicht unbedingt für die gut aussehenden Männer interessieren.
Orkan merkt auf: „Wie müssen Männer denn sein?“ Ich bringe es nur zu einem lahmen „interessant“.
Im weiteren Verlauf der Begegnung versteht Orkan leider nicht alles. Und spricht eher wenig. Ich rede wohl zu schnell. Doch er bleibt tapfer und zeichnet mit seinem Bleistift genau den Helden, den sich Panda vorstellt: Waschbrettbauch, schwellender Bizeps, muskulös. Iro-Schnitt oben. Nackt und mit beeindruckenden männlichen Attributen unten (siehe ganz oben, die Attribute sind aus Kinderschutzgründen abgeschnitten).

Ich sehe darüber scheinbar ungerührt hinweg, obwohl das nicht einfach ist und nehme mir vor, Orkan das nächste Mal darauf hinzuweisen, dass er sein Werk vielleicht ja mal seiner Familie zeigen will. Seiner Mutter zu, Beispiel. Vielleicht ist das aber auch eine Art Test. Oben stemmt Orkans Held außerdem ein Auto aus dessen Auspuff ein Feuerschwall kommt. Es sieht aus als gehöre es Batman. Im Chassis steckt allerlei Krimskrams - Pfeile, eine Art Geist mit Schnorchelbrille. Der Rest ist künstlerisch noch nicht ausgereift, als wir das erste Treffen beenden. Mich erinnert er an Atlas, der das Himmelsgewölbe trägt. Ich ordne Orkan und Panda unter Batman ein. Ich kenne nicht allzu viele Comic Helden. Spiderman, Batman Lucky Luke und Asterix natürlich. Die Jungs kennen deutlich mehr, nennen Namen, die ich noch nie gehört habe.
Alle finden, Orkan hat einen guten Helden gezeichnet.

„Auf jeden Fall“, erklärt Whisky. Er heißt so, weil er der Ansicht ist, der Held der Geschichte müsse unbedingt Whisky trinken. Am besten ständig betrunken sein. Whisky ist also mehr der Sam-Spade-Typ. „Auf jeden Fall“ - das sagt er oft bei unserem ersten Treffen.
Der Held muss Ehre haben, stellt Orkan fest.

„Auf jeden Fall“, erklärt Whisky.
Und der Hund?
"Mit Pitbullschnauze" beschließt Panda. „Auf jeden Fall“, sagt Wisky. Eigentlich würde er gerne auch malen (was er auch tut, siehe "Superman"-Zeichnung). Aber diesen Part haben die beiden Jungs mit Migrationshintergrund mit ihren Gemälden schon für sich beschlagnahmt. Ein Comic braucht auch Text, tröste ich Whisky. Wie könnte denn der erste Austausch unseres Helden mit seinem Hund aussehen? Was soll in die Sprechblase stehen? Was sagt der Held?

„Yo!“, beschließt Whisky.
Und der Hund?
„Wuff.“


Bild: Julians Berge

Julian, der zweite Junge ohne Migrationshintergrund, sagt auch nicht viel. Er führt das Protokoll. Er übrnimmt freiwillig die Rolle des Schreibenden (ich kann fehlerlos schreiben, wird er bei der zweiten Begegnung sagen).
„Auf jeden Fall“, findet auch Whisky.
Und so schreibt Julian auf, wie sich die Jungs ihren Helden vorstellen: Sie sollen sich aus all dem, was an der Tafel steht, fünf Eigenschaften aussuchen, die ihnen am wichtigsten erscheinen. Zum zweiten nächsten Treffen wird Julian er eine akribisch ausgefüllte Liste mitbringen.

Gute Eigenschaften:
stark sein
Ehre haben
mutig sein
gerecht sein
mitmenschlich sein

Schlechte Eigenschaften – ich bestehe darauf
süchtig (Suff)
vergesslich
schämen
feige
traurig
muss oft aufs Klo.

Aussehen:
32 Jahre
190 cm groß
120 Kilo schwer (darauf besteht Orkan, drunter ginge das nicht, sagt er; „auf jeden Fall“, meint Whisky“);
rote Augen (sie können sich nicht auf grün oder blau oder so einigen. Helden benötigen einen besonderen Blick, finden sie, um gleich darauf zu beschließen, der Held bekommt eine...) ...Sonnebrille. rote Haare Iro-Frisur (die hat Orkan sowieso schon gemalt. Panda auch. Okran und Panda haben beide einen. Die Jungs ohne Migrationshintergrund nicht).
Dreitagebart (der ist neu)
tätowiert mehrere Narben.

Bezüglich des Namens gibt es mehrere Vorschläge: Hero, und Bardock. Julian schreibt später noch weitere auf: Tergo, Dmar, Makro Män, Cherka, Bateck. Wir beschließen, die Entscheidung zu vertragen.

Und dann einigen wir uns noch auf Folgendes: Die Geschichte beginnt im Sommer (Whisky: „Auf jeden Fall, sonst brauchen wir keine Sonnenbrille." Klingt logisch, finde ich). Der Held sitzt vor seiner Hütte auf einem Schaukelstuhl, trinkt Whisky und angelt. Die Hütte steht auf einem Berg (siehe Julians Bild). Julian malt das auf die Tafel und später auf Papier. Unten am Berg ist eine Stadt zu sehen. Und dann kommt die Bedrohung. Die Jungs können sich nicht entscheiden, was das sein könnte. Whisky malt einen Zug.

Julian schreibt einige Vorschläge auf und bringt zum zweiten Treffen auch noch neue mit. „Die Leute müssen erst mal wissen, dass es diesen Helden gibt“, meint Panda. „Auf jeden Fall“, sagt Whisky.

Ich werde die verschiedenen Entwürfe, also Zug, Berge und Stadt später zu einem Eröffnungsbild zusammenkleben.

Die Vorschläge:
Retten eines Flugzeugs Aufhalten eines Asteroiden (ich hatte von dem giftgrünen Meteorit erzählt, der an der Erde vorbeifliegt.„Wann?“, fragt Orkan.
„Ich erkundige mich“, verspreche ich).
 Zug aufgehalten, Erzfeind taucht auf. Beide treffen öfter aufeinander.

„Wir haben heute noch Fußball, da würde ich gerne hin, können wir rechtzeitig Schluss machen?“ Ich kann das Anliegen von Panda verstehen. Wir beschließen das Brainstorming. „Können wir mal Comics schau'n, hier gibt es einen Fernseher“, meint Panda zum Abschied. „Ich frage“, antworte ich. Er scheint zu spüren, dass mir der Erfolg des Projektes am Herzen liegt und ergänzt: „Wenn wir fertig sind.“

Damit kann ich leben.

Können Sie mal ein Buch von sich mitbringen?“, erkundigt sich Whisky.

„Ich frage, ob ich darf“, antworte ich.

Mir wird klar, dass ich diesen Satz im Laufe unserer Bekanntschaft noch oft werde wiederholen müssen.

Julian putzt freiwillig die Tafel. Alle stellen ihre Stühle wieder ordentlich auf die Schulbänke. Ich finde diesen Ort erstaunlich. Das gilt auch für die Jungs.

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