Sonntag, 27. Juli 2008

"spucke spauze speue"


Man kann durchaus sagen, dass Markus Manfred Jung literarisch und auch sonst sehr aktiv ist. Dabei beschränkt er sich keineswegs auf die alemannische Mundart, schon gar nicht auf irgendwelche Regional- oder Volkstümelei. Obwohl er (auch) alemannisch schreibt, obwohl er der Region, in der er lebt, nicht nur literarisch tief verbunden ist. MM, wie er gerne unterschreibt, ist ein Mann der starken Bilder. Das gilt auch für sein neues Buch. "verfranslet diine flügel", illustriert von Bettina Bohn, ist zu großen Teilen der Krähe gewidmet. Gedichte über und an de "quaag", dem Totenvogel mit den manchmal ganz schön ausgefransten Flügeln, melancholisch-leise, deftig-ablehnend, zart und quaakig - und in hartnäckiger Kleinschreibung. Weshalb wir uns bei Zitaten auch daran halten.

"totechopf mit flügel", "gflüglete toteschädel", totgflüglete schwarzchopf, totegschädlete flügelwisch, verstüpplete vogel, liedrigs lueder" - MM stellt auch in diesem neuen Gedichtband seine Gabe unter Beweis, alemannisch handfeste Sprachbilder zu kreieren.Einige der Gedichte sind erstmals im Buch "am gääche rank", 2004 im Drey Verlag erschienen.

Wie er mit Worten umgeht, was sie ihm bedeuten, schildert er in seiner anschaulichen Sprache auf Seite 48 unter dem Titel "s wort":

"kaue fresse schlucke wörterwörter widerkäue spucke spauze speue"...

Für den Dichter, sagt er am Ende, sind Wörter das Asyl. Das klingt, als wäre es durchaus autobiografisch gemeint.

Denn MMs neues Buch ist auch Zwiesprache - mit diesem schwarzen Vogel natürlich, außerdem mit anderen Gedichten und deren Dichtern. Mit Peter Huchel* zum Beispiel und seinem in Hochdeutsch und in gängiger Groß- und Kleinschreibung verfassten Gedicht zum Tod, zur Krähe. Jung greift die Worte auf, wälzt sie in seinem Geist, ergänzt sie alemannisch. Noch ein Beispiel dazu:

"Der Vogel flog, sein Fittich schlug das Licht im Erlengrau..." "hocksch uf nochbers firscht/chropfsch der die schwarzi seel us em hals/verwürgsch di schier selber drab/wecksch mi ungfrogt us mim totetiefe schloof"

Das also ist es, was MM unter "spucke spauze speue" versteht und was ihn für die alemannische Sprachlandschaft so unverwechselbar macht.

Noch ein Wort zu den Bildern von Bettina Bohn, Kunstpädagogin, Malerin, Bildhauerin, geboren 1954 in Freiburg mit Wohnsitz in Steinen. Sie steuerte leichte, oft in der Manier der japanischen Tradition entworfene Aquarelle bei sowie Bilder bei, in denen die Leinwand Lichter und Gegen-Muster setzt. Alles in Schwarzweiß. Auf ihre Weise stellt sie der Wucht der Worte etwas Versöhnliches entgegen, den Beschimpfungen des Quaak den Pinselstrich der Beobachtung - und erlaubt damit ein kurzes Durchatmen, ehe es weitergeht mit den Wörterwörtern.

Der in Gutach ansässige Drey Verlag hat 2006 einen vom Land Baden-Württemberg ausgelobten und mit 12.500 Euro dotierten Preis für literarisch ambitionierte Kleinverlage erhalten, der alle zwei Jahre vergeben wird. Gegründet wurde der Verlag 1995 von Verleger Wurth und zwei Freunden, dem Herausgeber, Lyriker und Erzähler Markus Manfred Jung sowie dem Layouter Franz Handschuh aus Freiburg. "Das ist der eine Grund, weshalb er "Drey Verlag" heißt" , wie Wurth erklärt.
Markus Manfred Jung, "verfranslet diine Flügel", mit Bildern vvon Bettina Bohn
Drey Verlag, ISBN:978-3-933765-36-9, 18 Euro

Am Buck 2
77793 Gutach
07833/8088
Drey@drey-verlag.com

Mehr zu Markus Manfred Jung:
Biografie
Interview

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