Mittwoch, 14. Oktober 2015

Kubanisches Tagebuch, Folge II


Freundinnen - Elisabeth Dietze und Tamara Bunke in einer neuen Ausstellung im Mausoleum von Che Guevara

Sucbild: Die Ausstellungsbrigade singt den Marsch vom 26. Juli.


Mein Schreibtisch steht inzwischen auf einer Insel. Ein Jahr Kuba - das ist Abenteuer pur, Eintauchen in eine andere Welt, die bei genauerem Hinsehen so anders gar nicht ist. Dennoch. Vieles, was für mich im Alltag selbstverständlich war, ist es nicht mehr. Das gilt im Übrigen auch für so manches Klischee.Und manchmal verschicke ich Rundbriefe an die daheimgebliebenen Freunde, einen können Sie jetzt lesen. Oben finden Sie die Fotos dazu - einmal, die singende Berliner "Brigade!" anlässlich einer neuen Ausstellung in Ches Memorial in Santa Clara (doch, ich bin da auch drauf) und zwei Freundinnen in früheren Zeiten - Elisabeth Dietze und Tamara Bunke.

Rundbrief 6

Hallo allerseits,

Erika (ja, auch auf Kuba haben die Wirbelstürme Namen, und das ist zudem die deutsche Schreibweise) ist vorbeigezogen ohne größere Schäden anzurichten, mein Spanisch ist noch immer schrecklich, die Sonne scheint noch immer - und inzwischen fühle ich mich auf Kuba pudelwohl.

Letzte Woche war ich für drei Tage in Santa Clara, der Stadt Che Guevaras. Ich war mit von der Partie, als ein ganz besonderes Projekt mit der Eröffnung einer Ausstellung im Mausoleum Che Guevaras und seiner Kampfgenossen den krönenden Abschluss fand: Tamara Bunke, als Tania La Guerillera auf Kuba eine Revolutionsheldin, ist mitsamt ihrem Nachlass heimgekehrt. Zum „Festakt“, dessen Ablauf samt Reden, Musik und gegenseitigem Lob sich mit derartigen Ereignissen in Deutschland durchaus vergleichen lässt, war auch der Vorsitzende des Ausschusses für Geschichte der kommunistischen Partei Kubas erschienen (ich glaube so ähnlich ist der Titel). Dazu Elisabeth Dietze, heute 84. Sie hat als junge Frau mit Tamara studiert. Dann war da noch Fernando, einer der berühmten Cuban Five, Männer, die in den USA wegen angeblicher Spionage im Gefängnis saßen, teilweise bis zu 13 Jahren und inzwischen alle freigekommen sind: neue Helden für Kuba.

Mit Elisabeth Dietze konnte ich zudem eine sehr wichtige Frage klären – überall wird Tamara Bunke als Blond beschrieben. Auf den Bildern, die ich von ihr gesehen habe, war sie jedenfalls nicht hellblond. Auch nicht als Kind und Mädchen. Gut die Bilder sind alle Schwarzweiß. Trotzdem. Einen hellblonden Schopf kann man auch in Schwarzweiß ausmachen. So war ich dann schon sehr erleichtert, als ihre Studienfreundin Elisabeth mir bestätigte, dass Tamaras Haarfarbe „Akazienblond“ gewesen sei. Darüber hätten sie nämlich auch einmal besprochen.

Professor Dr. phil Oliver Rump von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat mit seiner Frau Dr. Kai Rump (Sozial- und Wirtschaftshistorikerin und Archivarin) sowie rund einem Dutzend Studenten seit 2013 daran gearbeitet, diese Ausstellung auf die Beine zu stellen. Das Museumsprojekt soll einen neuen Zugang zur nicht alltäglichen Persönlichkeit der Deutsch-Argentinierin Tamara Bunke bieten, und dem Mythos Tamara belastbare Fakten entgegensetzen. Denn an Tania La Guerillera scheiden sich bis heute die Geister, die Legendenbildung treibt Blüten. Während in Ostdeutschland Schulen und Kindergärten nach ihr benannt wurden, kannte sie im Westen kaum jemand, höchstens noch, weil ihr in einigen Veröffentlichungen eine Liebesbeziehung mit Che Guevara unterstellt worden ist (die sie nicht hatte).

Wer also war Tamara Bunke wirklich, jene junge Frau, die sich ganz Ches Idealen verschrieb, für sie kämpfte, die schließlich zur Waffe griff und mit 30 Jahren in Bolivien erschossen wurde? Eine Heldin? Eine Terroristin? Durch die Auswertung von Tamaras Nachlass ist ein differenzierteres Bild möglich geworden: neun Kartons mit Briefen, Zeugnissen, Dokumenten jedweder Art, inzwischen katalogisiert in 189 Seiten mit Exeldateien, sowie eine Box mit Gegenständen wie Fahnen oder Tonbändern; das alles gelang durch das Engagement eines Hochschullehrers, einer Archivarin und einer Gruppe von Studenten.

Die Berliner „Brigade“ hat Vitrinen geplant und gebaut, die Ausstellungsobjekte aus unzähligen einzelnen Archivarien ausgesucht, Texte und einen Katalog erarbeitet und designed, natürlich in Deutsch und auf Spanisch. Außerdem hatten sie noch eine Sensation im Gepäck, von der ich auch erst vor Ort erfahren habe: Briefe von Che an Nadja Bunke, die Mutter, die sich ebenfalls im Nachlass befanden. Alles wurde verpackt und per Schiff auf die Reise nach Kuba geschickt. Übrigens inklusive einer Kostprobe deutschen Essens, genauer, Erbsensuppe. Würstchen und Warsteiner, angeboten im den Räumen des ICAB, des Zentrums für Völkerfreundschaft in Santa Clara nach der Eröffnung der Ausstellung.

Für Tamara Bunke (* 19. November 1937 in Buenos Aires, Argentinien; † 31. August 1967 in Vado del Yeso, Bolivien), deutsch-argentinisch-kubanische Revolutionärin mit Berliner Facetten, ist es auf gewisse Weise eine Heimkehr – fast 30 Jahre nach ihrem Tod am 31. August 1967 und an den Ort, in dem ihre Gebeine zusammen mit anderen Helden der kubanischen Revolution ruhen.

So, jetzt kennt ihr die Geschichte. Und wenn Ihr mal nach Santa Clara kommt, dann kann ich den Besuch des Mausoleums nur empfehlen. Zumal der Museumsbereich nun um eine wirklich bemerkenswerte Attraktion reicher geworden ist.




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