Tamara Bunke; Archiv HTW Berlin |
Wer Romane schreibt, begegnet Menschen.
Manche leben noch, bei anderen lebt der Mythos und treibt Blüten.
Tamara Bunke (* 19. November 1937 in Buenos Aires, Argentinien; †
31. August 1967 in Vado del Yeso, Bolivien),
deutsch-argentinisch-kubanische Revolutionärin, ist solch ein
Mensch. An ihr scheiden sich bis heute die Geister. Tania La
Guerrilera, die Genossin an der Seite Guevaras, die Ikone, die Heldin
– in Ostdeutschland wurden Schulen nach ihr benannt. Im Westen war
sie lange Jahre kaum bekannt, höchstens noch als jene junge Frau,
der ein Verhältnis mit Che nachgesagt wird. Die Betonung liegt auf
nachgesagt. Oder war sie noch eine ganz andere Frau?
Sie führte auf jeden Fall ein Leben,
das dazu angetan ist, die Fantasie anzuregen. Die meinige auf
jeden Fall. Zumal ich demnächst nach Kuba gehe. Für ein Jahr (mit
Unterbrechungen), um für den Herder Verlag über das Leben und die
Menschen dort zu schreiben. Arbeitstitel: „Ein Jahr auf Kuba“.
Auf Kuba ist Tamara Bunke eine Heldin.
Dort liegt sie an der Seite Ches im Mausoleum in Santa Clara. Und
wer, wenn nicht die Helden, die sich ein Volk wählt, sagen etwas
über eine Gesellschaft und deren Werte aus. Dasselbe gilt aber auch
für den Umgang mit ihnen nach dem Tod und für den Umgang mit dem
Tod selbst. Friedhöfe sind ein guter Ort, um etwas darüber zu
lernen, wie die Menschen leben, deren Angehörige dort begraben sind.
Also habe ich mich aufgemacht, mehr
über diese Frau zu erfahren und bin mitten im Projekt Tamara Bunke
gelandet, das Professor Dr. phil Oliver Rump an der Hochschule für
Technik und Wirtschaft Berlin mit Dr. Kai Rump (Sozial- und
Wirtschaftshistorikerin und Archivarin) und rund einem Dutzend seiner
Studenten derzeit stemmt. Das große Ziel: neben einer Dokumentation
eine Wanderausstellung und 2015 am 31. August, Tamara Bunkes Todestag, eine Ausstellung im Eingangsbereich
des Mausoleums in Santa Clara zu erarbeiten. Dort liegen ihre Gebeine neben Che Guevara
und vielen anderen Helden der kubanischen Revolution.
Womit wir beim Stichwort mugocu
(museology goes Cuba) wären: Seit 2013 arbeiten engagierte
Freiwillige, vor allem Museumskundlerinnen und -kundler des
Studiengangs Museumskunde an der Hochschule für Technik und
Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) sowie Dr. Kai Rump und der Architekt Dirk Ehrlichmann gemeinsam mit kubanischen FachkollegInnen daran, die
Bedingungen für die anvertrauten Archivalien, für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Archivnutzerinnen und -nutzer des
überregional bedeutenden Archivs von Sancti Spiritus sowie des
dortigen Museums auf Kuba schrittweise zu verbessern.
Vor diesem Hintergrund war es ein
Glücksfall, dass ebenfalls seit 2013 der Archivbestand der
Revolutionskämpferin Tamara „Tania“ Bunke im Studiengang
Museumskunde verwahrt wird. In der Zwischenzeit ist er mit
finanzieller und ideeller Unterstützung des Kooperationspartners
Cuba Sí (Projekt mugocu) im Rahmen eines Praxisprojektes 2013/14
archivgerecht aufgearbeitet worden. Professor und Studenten haben zudem die
Chance gut genutzt, um seit dem Wintersemester 2014/15 den Bestand zu sichten, zu erschließen,
in Teilen zu digitalisieren und auszuwerten. Abgezeichnet hat sich
dabei die facettenreiche Geschichte einer jungen Frau, die sich ihren
Idealen verschrieb, für sie kämpfte, die schließlich zur Waffe
griff und mit 30 Jahren eines gewaltsamen Todes starb.
Genau darum geht es auch mir in meinen
Romanen immer und immer wieder – um die Annäherung an den
Menschen hinter der Ikone, jenseits der Klischees. Eine Terroristin,
sagen die einen. Eine Heldin die anderen. Tamara Bunke war
Partisanin, Sportlerin, Musikerin, Journalistin, Übersetzerin,
Tochter, Schwester und noch vieles mehr. Ihr Bruder, Olaf Bunke, ist
ein bekannter Wissenschaftler, der – und das empfinde ich schon ein
wenig als Ironie der Geschichte – nach der Wende nach Amerika ging.
So ist das eben mit den vier Ws – der Wahrheit, der Wirklichkeit
und den Widersprüchen in deren Wahrnehmung. Sie hängen von der
jeweiligen Sichtweise ab.
Das Museumsprojekt, das ist zumindest
mein Eindruck, ermöglicht nun den Zugang zu einer nicht alltäglichen
Persönlichkeit und kann dem Mythos Tamara belastbare Fakten
entgegensetzen. Möglich wird das durch den oben erwähnten Nachlass,
neun Kartons mit Briefen, Zeugnissen, Dokumenten jedweder Art,
katalogisiert in 189 Seiten mit Exeldateien, sowie eine Box mit
Gegenständen wie Fahnen oder Tonbänder; und durch das Engagement
eines Hochschullehrers, einer Archivarin und einer Gruppe von
Studenten.
Auch die Art des Umgangs mit den Helden
eines anderen Volkes, in diesem Fall sogar eines anderen politischen
Systems, sagt viel über eine Gesellschaft aus.
Danke, dass ich dabei sein durfte.
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