Die Geschichte der Köchin Mathilde und des Minnesängers, die in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts unversehens zu deutschen Königsmachern wurden, musste lange auf ihre Umsetzung warten, weil andere Bücher (zwei historische Romane, zwei Krimis und ein Mystery-Roman) sich in den Vordergrund geschoben haben. Doch im März ist Abgabetermin für das Manuskript. Die „anschaulichen“ Grundlagen gelegt habe ich im Mai vor nun fast sieben Jahren. Und außerdem neigt sich auch die schönste Reise mal dem Ende zu. Inzwischen geht es heimwärts - aber nicht auf dem direkten Weg.
Im Herzen des „alten Europa“, geschrieben am 12. Mai 2004
Wer den Weg ins Herz Europas sucht, der komme nach Troja. So steht es sinngemäß auf einer der Tafeln jener Stätte, an der Hobbyforscher Heinrich Schlieman einst die Stadt entdeckt haben wollte, deren Untergang Homer in seiner Illias beschrieb. Wer nach Schliemanns Troja will, muss auf jeden Fall über den Flecken Tefivije und dann durch ein Tor, an dem für zwei Personen und ein Auto 24 000 000 türkische Lira kassiert werden.
Mit den Ruinen von Ephesus, der prächtigen, marmorreichen Metropole der Antike, können die neun entdeckten Schichten von Troja auf den ersten Blick nicht mithalten. Auch nicht mit Termessos, der Stadt auf dem Rosenberg im Taurusgebirge. Von der alten Pracht von Troja/Illios ist nur ein Echo übrig geblieben. Das ist gleichzeitig jedoch auch das Echo Homers, der die Geschichte eines Krieges beschrieb, der wahrscheinlich im 13. Jahrhundert vor Christus tobte. Er inspiriert damit die Phantasie der Menschen bis heute.
Hadrian war in Troja, Alexander der Große (wo war dieser Mann nicht!). Die Franken und Karl der Große leiteten ihre Abstammung ebenso von den Helden von Troja ab wie die Römer, die im Trojaner Äneas ihren Stammvater sehen. Romulus und Remus, die Rom der Sage nach (dieses Mal der römischen) gegründet haben sollen, waren seine Nachfahren.
Zum kulturellen Herzen Europas gehören aber auch die unverwechselbaren, scharf gezeichneten Charaktere, die Homer (etwa im 7. Jahrhundert vor Christus) Menschen und Göttern zugeordnet hat. Da sind zum Beispiel die Fehlentscheidungen, die sie trafen: Paris wählte die Liebesgöttin Aphrodite (die ihn wiederum mit der Liebe von Helena, der schönen Gattin des Melenaos auf ihre Seite lockte) vor Athene und Artemis zur schönsten aller Göttinnen.
Diese Wahl aus Liebe trieb sogar einen Keil in die Einheit der Götter auf dem Olymp. Denn auch Götter können beleidigt sein. Pallas Athene war es jedenfalls und beschloss den Untergang der Stadt. Sie verwandelte sich – grün vor Neid auf Aphrodite – von der Schutzgöttin Trojas zu seiner größten Feindin. Da vermochte auch Vater Zeus nicht mehr zu schlichten.
Das hatte natürlich wiederum gewaltige Probleme für die Menschen zur Folge (wie immer, wenn die Großen sich streiten). Die Seherein Kassandra schrie ihnen ihren Untergang von der Höhe der Stadtmauer entgegen. Aber die Trojaner wollten nicht auf sie hören. Bis auf Änaeas, der auch dadurch überlebte. Angst, Neid, falsches Heldentum, die Eitelkeiten großer Helden, die sich wie verwöhnte Kinder benahmen oder wie Gockel aufplusterten, ja, Homer kannte seine Pappenheimer (so viel zum Thema Helden).
Und dann schilderte Homer natürlich eine der großen Liebesgeschichten der Antike, die zwischen Paris und Helena. Der trojanische Königssohn sah, liebte und raubte die Schöne von ihrem Gatten Melenaos, was zu eben jenem zehnjährigen Krieg vor Troja führte, unzählige Leben kostete, den Untergang der prächtigen Stadt des Königs Priamos mit sich brachte. Und am Ende war niemand so richtig glücklich. Auch nicht Odysseus, der die List mit dem Trojanischen Pferd ersonnen und damit die Eroberung der Stadt ermöglicht hatte (ein Holzpferd mit Kriegern im Bauch, das die Trojaner trotz Warnungen in ihre Stadt zogen).
Diese List gefiel Athene nämlich auch wieder nicht, die Trojaner taten ihr plötzlich leid und sie verbündete sich mit dem Gott des Meeres. Poseidon sorgte mit viel Gegenwind dafür (damals konnten die Schiffe noch nicht gegen den Wind kreuzen), dass Odysseus ziemlich lange nicht in die Arme seiner Gattin zurückkehren konnte. Aber irgendwie hatte er es auch nicht besonders eilig. Uns hat das die „Odyssee“ beschert.
Ob das Troja von heute nun Homers Troja ist oder nicht, ist deshalb eigentlich nicht so wichtig. Troja ist überall – im alten Europa und in der neuen Welt. Denn die Literatur Homers gehört zum kulturellen Erbe aller.
Als wir dann so mit der Fähre von Asien nach Europa fuhren, in 20 Minuten von Canakkale übers sonnenbeschienene, ruhige Meer der Dardanellen, da erschien es mir schon wieder ziemlich unglaublich, dass Poseidon unserem Helden Odysseus einst solche Schwierigkeiten gemacht haben sollte.
Außerdem ist die Gegenwart machmal oft schneller wieder da, als man es sich wünscht. In diesem Fall holten uns die unzähligen, unausweichlichen Formalitäten ein und dazu die – trotz der Sonne - desinteressiert und ziemlich mürrisch wirkenden türkischen Zollbeamten schnell auf den Boden der Tatsachen zurück (dieses Mal hat keiner geraucht).
Anschließend kam die Fahrt durchs Niemandsland, in dem sowohl die Türkei als auch Griechenland ihr nicht gerade ungetrübtes Verhältnis in Form von Militärposten dokumentieren. Und dann: Die Sterne der Europäischen Union hatten uns zurück. Am griechischen Zoll ging es schnell.
Zum Schluss und zum Abschied von der Türkei noch etwas zu einem Thema, über das eine Dame eigentlich nicht spricht: die türkischen Toiletten. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Formen und Sauberkeitsstufen. Die Toiletten mit den beiden Fußtritten sind etwas gewöhnungsbedürftig. Reisende sollten auch nicht vergessen, sich für solche Örtchen (sie befinden sich zumeist in ländlicheren Regionen) mit einer entsprechenden Menge Toilettenpapier oder Tempotaschentüchern auszurüsten. Und da, wo es besonders ländlich-deftig zugeht, da erwartet die Reisende im Nachhinein oft doch noch eine schöne Überraschung. Beim Hinausgehen gibt es eine Handdusche vom Wirt und zwar mittels kräftig parfümiertem Wasser aus einer dieser Flaschen, die in der Türkei offenbar sehr beliebt sind.
Fazit: Selbst wenn die Schuhe feucht geworden sein sollten, die Hände duften. Darauf könnte ein Spruch meiner Mutter passen: oben hui, unten pfui. Adieu Türkei. Es war schön. Ich werde gerne wiederkommen.
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