Mittwoch, 16. März 2011

Heimkehr aus dem 13. Jahrhundert, Folge 9: Termessos

Schauspiel mitten in Ruinen: Termessos

Der Weg zum Olymp

Das Taurus-Gebirge: faszinierende Natur

Die Geschichte der Köchin Mathilde und des Minnesängers, die in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts unversehens zu deutschen Königsmachern wurden, musste lange auf ihre Umsetzung warten, weil andere Bücher (zwei historische Romane, zwei Krimis und ein Mystery-Roman) sich in den Vordergrund geschoben haben. Doch im März ist Abgabetermin für das Manuskript. Die „anschaulichen“ Grundlagen gelegt habe ich im Mai vor nun fast sieben Jahren. Und außerdem neigt sich auch die schönste Reise mal dem Ende zu. Inzwischen geht es heimwärts - aber nicht auf dem direkten Weg.


Die Steinerne auf dem Rosenberg, geschrieben am 9. Mai 2004

Die Menschen von Termessos beteten zu Pallas Athene, der griechischen Göttin des Krieges und zu deren Vater, dem Gott Zeus, dem größten aller Götter. Doch der Olymp war weit. Und so bauten sie sich ihren eigenen - hoch oben auf dem Berg der Rosen im Taurusgebirge bei Antalya, früher auch der Berg der Steinböcke genannt. Damals gab es dort noch viele dieser Tiere. Inzwischen sind sie fast ausgerottet, stehen aber jetzt unter Schutz. "Schon fast zu spät", sagt Cemal, unser Führer.

Cemal ist selbst fast so flink wie ein Steinbock. Drahtig, kein Gramm Fett zu viel, vielleicht 50 vielleicht 60 Jahre alt, erklimmt er den Rosenberg mit zwei Touristen im Schlepptau, die ihr Keuchen nur mühsam verbergen können. Ich frage mich während des Aufstiegs, warum Menschen so hoch oben eine Stadt gebaut haben. Dort, wo es keine Quelle gab. Eine Stadt, die nur auf unwegsamen Wegen zu erreichen war, wo alles mühsam bergauf geschleppt werden musste.

Außer den Steinen. Steine gibt es in Termessos genug. Aus den Kalkfelsen des Taurusgebirges bauten die Bewohner ihre Häuser an die Hänge, die Oberschicht oben, die kleinen Leute weiter unten. Sie schlugen riesige Zisternen in den Steinboden, bauten Wasserleitungen. Sie schufen verzierte Säulen, deren Trümmer manchmal noch teilweise aus dem Schutt auf dem Weg ragen. Dann deutet Cemal wieder auf einen sorgsam behauenen Stein, in dem noch die Spuren des schweren Türriegels zu sehen sind. Sie setzten runde Bogen für Geschäfte in den Hang, deren Öffnungen genau zum Trimm-Dich-Pfad der Sportler zeigen, die im "Gymnasion" turnten und badeten. Cemal glaubt, dass hier die Menschen auch saßen und den Sportlern zuschauten. Termessos hatte zwei solcher Gymnasien, ein römisches und ein griechisches. Ja, die Römer waren auch dort.

Außerdem gab es in Termessos noch sieben Tempel, einer davon für Artemis, die Göttin der Jagd. Es war eine Stadt wie für die Ewigkeit gebaut. Doch ein Erdbeben setzte dieser Ewigkeit nach 1000 Jahren, rund 300 nach Christus, ein Ende.

Zwischen 14 000 und 15 000 Menschen lebten einst auf dem Rosenberg, schätzt Cemal. Um sie herum grünte, blühte und duftete eine vielfältige, artenreichen Natur. Stechpalmen, Jasmin, Ginster, Akazien, große Steineichen, Wachholder, wilde Pistazien-, Pflaumen-, Kirsch- und Apfelbäume gab es dort. Und dann natürlich die wilden Rosen, die uns schon auf der Fahrt bergauf nach Termessos aufgefallen waren und die dem Berg den Namen gaben. Cemal erstaunt mich. Er ist der Erste, den ich auf dieser Reise treffe, der sich in der Natur auskennt, in der er lebt, der die Namen von Pflanzen kennt und das auch noch auf Deutsch.

Außer den Römern und den Griechen fand auch Alexander der Große Termessos begehrenswert und wollte es erobern. Noch heute weist ein Schild am Eingang des Nationalparks um Termessos stolz darauf hin, dass es dem kriegerischen Makedonier nicht gelang, diese Stadt zu bezwingen. Ihm, der selbst Dareius, den Perserkönig besiegte.

Termessos muss einmal sehr groß gewesen sein. Oben, über den steinernen, stolzen Häuser der Reichen, thronen noch einige riesige Steinsärge auf den Felsen. Die Stadt hatte zwei Friedhöfe, den unteren und den oberen, auch Grabhöhlen. Bisher sei noch kein ungeöffneter Sarkophag gefunden worden, erklärt Cemal bedauernd. Es gab also auch keine Funde von menschlichen Körpern oder Grabbeigaben. Doch Cemal hofft. Er hofft darauf, dass die Archäologen wiederkommen, dass vielleicht einmal ein geschlossener Sarg gefunden wird. Es sei erst der kleinste Teil der Stadt überhaupt entdeckt, erzählt er.

Cemal spricht von dieser Stadt wie von einer Geliebten, so, als hätte er selbst einst dort gelebt. Im großen Theater, das noch gut erhalten ist und von dem aus die Besucher weit übers Land bis hinunter in die Ebene schauen können, die zum Meer hin führt, raucht er versonnen seine Zigarette.

Eine Schuklasse taucht auf. Aals ein Lehrer seine Schüler fragt, die sich inzwischen im Theaterrund verteilt haben, ob hier wohl auch Löwen und Menschen aufeinander gehetzt worden sind, kneift Cemal missbilligend die Augen zusammen. Die Mehrheit der Schüler ist dieser Meinung. Blödsinn, knurrt unser Führer und weist auf die untersten Plätze, die direkt an die Arena grenzen. Da wären die Zuschauer von den hungrigen Löwen sofort aufgefressen worden, sagt er. Dabei gingen Jugendlichen heute im Gegensatz zu ihm viele Jahre in die Schule. Aber er gebrauche wenigstens seinen gesunden Menschenverstand.

Das sagt er auf dem Weg vorbei an einem Haus, das damals in Termessos wohl Versammlungen diente. Vielleicht für Konzerte, aber meistens wohl für Politik, erklärt Cemal. Er weist mit der Hand auf die Steine, die um uns herum auf dem Boden liegen. Hier hätten Archäologen noch Jahrzehnte lang zu tun. Doch sie kommen immer nur wenige Tage. Wenn überhaupt. Cemal hat jedenfalls noch keine gesehen. "Kein Geld", sagt er traurig. "Und die Reichen helfen nicht."

Keine Kommentare:

Impressum

Herausgeber und inhaltlich Verantwortliche
gemäß § 6 MDStV: Petra Gabriel, Gabriel-Publishing

Lehrter Straße 18-19
10559 Berlin

Im Leimenacker 12
75725 Laufenburg

web: www.petra-gabriel.de
mail: info(at)petra-gabriel.de