Dienstag, 22. September 2009

19. September, nächste Etappe von "Ozas" Reise: Die Wunder um die Ecke

Die prachtvoll restaurierte Holzdecke der Kapelle von St. Baudel

Lange keinen Netzzugang mehr gehabt, deswegen folgen die weiteren Stationen meiner Reise auf den Spuren von Ozas Geschichte (die nächstes Jahr im Oktober bei emos erscheinen wird) mit Verspätung. Die vorangegangenen Episoden sind ebenfalls unter dem Tag Ozas Reise zu finden.

....Am anderen Tag und bei Licht besehen, konnte es Vesoul nicht so ganz mit Marseille aufnehmen. Aber sehenswert ist dieses Städtchen doch. Und: Es gibt sie, die Wunder, die hinter der nächsten Ecke warten. Vielleicht, weil heute der Jour de Patrimoine. so etwas wie der Tag des Denkmals, besser, des Kulturerbes in Frankreich ist. Der Kopf schwirrt mir noch von all den Eindrücken meiner heutigen Fahrt, die wie durch Magie in einem Konzert in einer kleinen Kapelle irgendwo versteckt am Wegesrand mündete. Es war das erste Konzert in St. Baudel, der uralten Kapelle mit der eindrucksvoll restaurierten hölzernen Gewölbedecke mit den wunderschönsten Malereien aus dem 16. Jahrhundert. Früher war dieses kleine Gotteshaus alles mögliche – sogar ein Turnsaal.

An diesem Abend ist St. Baudell Teil meines ganz persönlichen Wunders geworden. Eine moppelige Harfinistin mit ebenso moppeligen Patschändchen und ziemlich weißen wurstigen Fingerchen sowie ein hagerer Flötist gaben besagtes Konzert aus Anlass des besagten Jour de Patrimoine. Angesagt wurden die Kompositionen von Vivaldi über Puccini bis zu Greensleeves und Jazz von einem redseligen und schlecht vorbereiteten Impressario mit mächtigem Schnauzbart.

Und ich bin dahingeschmolzen, trotz aller Müdigkeit, trotz meines Kopfes voller Eindrücke. Ich habe mich einfach mit der Musik treiben lassen...

Nein, es ist nicht so, wie böse Zungen behaupten könnten – ich war nicht beschwipst vom Chablis, auch wenn ich an einem Weingut nach dem anderen vorbeigekommen bin, an Weinbergen, so rund und prall, mit Rebhängen, auf denen die Stöcke so ordentlich in Reih und Glied stehen, dass man fast meinen könnte, gleich schultern sie ihr Gewehr und marschieren los. Wenn da nicht die Rosenbüsche gewesen wären, mit denen einige Winzer ihren Rebhängen eine bunte Borte gegeben haben. Natürlich habe ich auch Chablis verkostet. Und gekauft.

Aber das war es nicht, wirklich! Jedenfalls könnte das Relais de la Chapelle durchaus einen Platz in Ozas Geschichte bekommen. Zumal Jeanne D'A'arc auch hier entlanggezogen ist. Und natürlich der unvermeidliche Napoleon. Ich denke, die mochten den Chablis ebenfalls. Trotz der Kriege, für die sie unterwegs waren.

Die ganze Gegend hier atmet Geschichte. Überall alte Gemäuer, wohin man auch schaut - und dazwischen eine Landschaft, dass mir das Herz aufgegangen ist. Dazu kaum Autos auf der Straße.

Fangen wir bei dieser wunderbaren Strecke zwischen Vesoul und Langres an, romantischer geht es kaum. Falls Sie mal Zeit haben – die D 625 ist ein Gedicht. Manchmal hat mich die Szenerie an den Hegau erinnert. Nur die Dörfer und Städtchen entlang der Strecke waren anders. Was mich zu der Frage bringt, was macht eine französische Stadt zu einer französischen Stadt? Dass die alten Gemäuer und auch die jüngeren unverputzt, oft aus Bruchsteinen errichtet sind, zum Beispiel. Oder die Fenster und Türstöcke aus großen Quadern. Dazu die Fensterläden und die Rosenbüsche, der wilde Wein, der sich die Steine hochrankt. In Vesoul schien es mir beim Anblick dieser kunstvoll schmeideeisern vergitterten Fenster fast, als wären die Spanier da gewesen. Muss das bei Gelegenheit mal überprüfen.

Und zwischen Vesoul und Langres kam ich an einer Stelle vorbei, die für den Bau der neuen Laufenbugrer Rheinbrücke von entscheidender Bedeutung ist – der Meeresscheide zwischen Nordsee und Mittelmeer? Glaube ich jedenfalls. Ich war so schnell unterwegs, dass ich nur Mittelmeer lesen konnte. Ach nein, dass kann ja nicht sein. Diese Meeresscheide liegt irgendwo auf dem Weg von Mulhouse nach Belfort. Das behauptet jedenfalls ein weiteres dieser braunen Schilder an den französischen Autobahnen. Also war es wohl die zwischen Mittelmeer und Atlantik? Hm. Da scheiden sich die Geister. Weiß jemand von Ihnen Genaueres? Hab jetzt gerade keine Zeit nachzuschauen. Muss derzeit so viel anderes lernen.

Langres, 2000 Jahre alt, und nah am Himmel gebaut, empfängt den Besucher mit Toren in römischen Ausmaßen. Und an diesem Tag mit Regen. Der Ausblick von den Festungsmauern übers Land mit den vier Seen verschlägt einem bei Sonnenschein sicherlich die Sprache. Aber, wie gesagt, es schüttete schon von oben. Was mich erschütterte, war, dass das Office de Tourisme sich vom Tag de Patrimoine nicht beeindrucken ließ und geschlossen hatte. Ich brauchte nämlich dringend eine neue Frankreichkarte, ich hatte meine alte verloren. Aber nichts da mit offenen Geschäften. In Langres, ansonsten eigentlich schon ziemlich touristisch, ist Frankreich auch nicht mehr das, was es schon mal war.

Also schüttelte ich den nicht vorhandenen Staub von meinen Füßen, gab schweren Herzens meinen Parkplatz an der Kirche St. Martin auf (wird wahrscheinlich auch in Ozas Geschichte auftauchen, Auberge Les Moulins, Auberge Cheval Blanc sind doch hübsche Namen, oder?)) und fuhr Richtung Auxerre.

Vorher tankte ich aber, die Tankuhr zeigte nur noch halb voll. Das konnte ich mir zwar nicht erklären, wg eines kurz zuvor getätigtes Tankganges, aber sicherheitshalber. Könnte doch sein, dass sich in so einem Tank plötzlich Luftblasen bilden, und denen wollte ich abhelfen. Es gingen jedoch bloß anderthalb Liter rein. Und das war nun für mich der Supergau. Bei mir, die ständig Angst hat, ich könnte zu wenig Benzin haben, ist die Tankuhr kaputt! Die Anzeige blieb stur bei halb voll. Nach dem übernächsten Stopp und als die Sonne kurz mal wieder schien sowie für die darauf folgenden rund 200 Kilometer zeigte sie zum Ausgleich immer einen vollen Tank an. Mal sehen, wie es morgen ist.

Nach Langres ging die bergige Landschaft in eine weite Hochebene über, die immer wieder einen beeindruckenden Rundumblick bietet (herrje, bin ich froh, dass ich keine Reiseführer schreiben muss. Es war alles schön, und mir gehen langsam die Vokabeln aus). Und überall, immer wieder die Laubwälder, die Buchen und Eichen, deren Blätter langsam herbstlich bunt zu werden beginnen. Diese Franzosen haben teilweise sogar Buchenhecken am Straßenrand gepflanzt. Aber das war noch ein Stück weiter.

Richtung Auberive wird es wieder bergiger und in Châtillon sur Seine schien die Sonne. Nicht weit davon wurde das Grab einer Keltenprinzessin gefunden, in Vix. Weshalb sie auch die Prinzessin von Vix heißt. Laignes, Tanlay, lauter Orte wie kleine Schatzkästchen.Tonnerre - bei Regen

Und dann landete ich in Tonnerre mit der teilweise noch romanischen Kirche hoch über der Stadt und der Grablege der Herzöge der Gegend, der Ducs de Clermont-Tonnere. Eine alte Stadt mit engen steilen Straßen, so eng, dass jeder deutsche Verkehrsexperte sie sofort zu Einbahnstraßen deklarieren und sich überlegen würde, ob sie nicht mit Unterführungen abzuflachen wären. In Tonnerre schert das niemanden. Es gibt auch keine Fußgängerzone, zumindest nicht auf dem Weg zur beeindruckenden Basilika (Saint Pierre, übrigens nur eine von drei sehenswerten Kirchen) und der Quelle der Dionne (muss mal nachschauen, ob das Diana heißen könnte*).

Die Stadt ist in einigen Teilen gerade dabei, wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. Ehrlich, es würde mich nicht wundern, wenn dort an allen Häusern Rosenranken wucherten. Dummerweise fing es wieder an wie aus Kübeln zu gießen.

Also weiter – der Chablis wartete, und mit diesem spritzigen Wein, angepflanzt in dieser weiblich-runden Landschaft, kam auch die Sonne wieder. Und so saß ich unter einem Walnussbaum (es gibt in der Gegend ziemlich viele) und hab erst mal eine Pause gemacht, ehe es weiter Richtung Auxerre ging.

Auxerre habe ich an diesem Abend schnöde Unrecht getan. Die Stadt ist sicherlich sehenswert. Mir wurde das aber langsam alles zu viel, in meinen Kopf passten einfach keine neuen Eindrücke mehr.

Ja, und so fuhr ich durch und landete ich im Relais de La Chapelle von Pourrain Und das war gut so. Siehe oben.

*Frage geklärt, es handelt sich bei Dionne um die keltische Quellgöttin Divona

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