Montag, 13. Oktober 2008

Hohler holen


Dünne Bücher sind offenbar in Mode gekommen und jemand, nämlich er, schreibt wie zum Ausgleich einfach wunderbar lange Sätze, Wort an Wort aneinandergereiht, was dennoch kein bisschen stört, auch eine Leserin nicht, nämlich sie, die eigentlich keine langen Sätze mag, doch sie findet, dass seine Sätze nicht zu verschachtelt sind, weil man sie auch am Ende eines ganz normalen Tages lesen kann und trotzdem, wenn der Punkt kommt, am Schluss noch weiß, wie sie angefangen haben. Ein Hohler wie er lebt und schreibt ist auch sein neues Buch, erschienen im Luchterhand Literaturverlag. Schmunzeln und Schaudern, Lächeln und Melancholie. Nacheinander, in einem, in der Schweiz, in den USA, der Mongolei, in Indien, Palästina und anderswo - "Am Ende eines ganz normalen Tages".

Auch wenn die Sätze lang sind, die Geschichten Franz Hohlers sind es nicht. Manchmal nur eine halbe, manchmal zwei, drei Seiten, selten auch mehr, erzählt der Schweizer Alltägliches, das jemandem, nämlich ihm, geschieht. Ab und an aber auch anderen. Logischerweise liegt es auch an dieser Knappheit, dass das Buch leider so dünn ist, und das leider gehört dick unterstrichen. „Das Ende eines ganz normalen Tages“ bringt es nur auf gut 100 Seiten („Es klopft“ hatte immerhin 176).

Was andererseits einen Vorteil hat, oder besser mehrere: Man kann den Band kurz weglegen, schmunzeln, wieder zur Hand nehmen, nachgrübeln, nachfühlen und am Ende denken, dass es schön wäre, wenn es noch zwei, drei oder auch vier der Hohlerschen Geschichten mehr darin gäbe. Außerdem ist das Werk trotz gewichtiger Sätze und Hardcover leicht, deshalb in liegender Stellung im Bett gut zu halten, man schrickt nicht hoch, wenn man sich mit einem Lächeln oder dem Schrecken über eine dieser Hohlerschen Geschichten ins Land der Träume gleiten lässt und einem dabei das Buch aus der Hand und auf den Bauch fällt. Kurz: Franz Hohler und seine Sätze haben das Zeug zur Droge. Wer noch nie Hohler gelesen hat, und das nicht glaubt, dem sei dessen Website empfohlen, die allein schon ein kleines Kabinettstückchen Hohlerscher Fabulierkunst ist. Samt Automatenfotos und Pustel auf dem Kopf.

Und dort erfährt jemand, nämlich wir, dann Folgendes über den Menschen Franz Hohler (der darauf auch behauptet, er mache zurzeit nichts anderes als Lesungen, was nicht sein kann, denn es ist ja dieses Buch herausgekommen. Mit dem Lektorat muss er also gesprochen haben. Andererseits könnten die Geschichten natürlich auch zu jenen gehören, die mehr oder weniger lang in der Hohlerschen Schublade lagen. Luchterhand würde dann ein Lob dafür gebühren, sie aus der selbigen befreit zu haben): Geboren wurde Franz Hohler im März 1943 im Kreisspital Biel. Das Haus hat sich später in ein Kulturzentrum verwandelt, sicher in der Ahnung, dass es dereinst auf der Hohlerschen Homepage auftauchen würde. Aufgewachsen ist der Junge in Olten, Matura in Aarau. Letzteres hat ihn sofort für die Aufnahme in den 3land-info Lesetipp prädestiniert, in dem Bücher von Autoren aus dem 3land vorgestellt werden (und solche, die dort handeln).

Jemand, nämlich ich, hat deshalb die Möglichkeit, diese Hohlerschen Geschichten wärmestens empfehlen, Ihnen ans Herz und auch sonst nahe legen. Es sind weitere kleine Kunststückchen, manchmal Fayencen, Skizzen , hin und wieder mit der Anmut eines Haiku. Als „Solokabarettist und Satiriker, Liedermacher und Schriftsteller“ wird Hohler tituliert, die Liste der Preise für sein geistiges Tun ist lang. Knill + Knill Kommunikationsberatung hat zum Beispiel eine solche veröffentlicht (nein, das ist kein Scherz, die heißen so.). Hoffen wir also, so eindringlich wie Hohler selbst bei einem gewissen Herrn von Matt, der in seinem Buch den Abschied vom Dozentendasein nimmt, dass schnell neue Geschichten entstehen, dass dieser Band nicht aller Tage Abend ist, dass es also nicht nur beim Lesen bleibt und tragen ihm im Geiste den Blumenstrauß hinterher, der in „von Matt liest“ auf dem Rednerpult liegengeblieben ist.

P.S. 1: Falls Sie auch einen Strauß für ihn haben: Franz Hohler ist Donnerstag bis Samstag auf der Frankfurter Buchmesse zu erleben (15. bis 19. Oktober).

P.S. 2: Normalerweise macht jemand, nämlich ich, kürzere Sätze.

Foto: Franz Hohler, Foto: Christian Altorfer

Hohler, Franz, „Das Ende eines ganz normalen Tages, Luchterhand Literaturverlag, ISBN 978-3-630-87283-4, € 17,95 [D] / € 18,50 [A] / SFr 31,90 (UVP)

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